Gotthold Ephraim Lessing Leben und leben lassen Ein Projekt für Schriftsteller und Buchhändler Quelle: Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 5, München 1970 ff., S. 784-787. [781⇒] Wie? es sollte dem Schriftsteller zu verdenken sein, wenn er sich die Geburten seines Kopfs so einträglich zu machen sucht, als nur immer möglich? Weil er mit seinen edelsten Kräften arbeitet, soll er die Befriedigung nicht genießen, die sich der gröbste Handlanger zu verschaffen weiß – seinen Unterhalt seinem eigenen Fleiße zu verdanken zu haben? Aber Gelehrte, sagt man, die sich mit Bücherschreiben abgeben, stehen doch gewöhnlich in bürgerlichen Bedienungen, durch welche für ihr genugsames Auskommen gesorgt ist. Ich weiß wirklich nicht, ob dieses die Absicht aller Amtsbesoldungen sein kann. Ich weiß, daß sehr viele derselben dieser Absicht jetzt nicht mehr entsprechen, indem sie zu einer Zeit festgesetzt worden, zu welcher die Preise der Bedürfnisse bei weitem nicht die jetzigen waren. Aber Weisheit, sagt man weiter, feil für Geld! Schändlich! Umsonst habt ihrs empfangen, umsonst müßt ihr es geben! So dachte der edle Luther bei seiner Bibelübersetzung. Luther, antworte ich, macht in mehreren Dingen eine Ausnahme. Auch ist es größtenteils nicht wahr, daß der Schriftsteller das umsonst empfange, was er nicht umsonst geben will. Oft ist vielleicht sein ganzes Vermögen darauf gegangen, daß er jetzt im Stan de ist, die Welt zu unterrichten und zu vergnügen. Oder sollen ihm die Amtsbesoldungen das zugleich mit gut machen? Der Staat oder Regent bezahlt ihn nur grade für das, was er wegen seines Amtes zu wissen und zu können notwendig braucht, welches oft wenig genug ist. Was er mehr weiß, ist für seine Rechnung: und wenn er über dieses Mehr noch mehr wissen will, das geht den Staat vollends nichts an. Daß gleichwohl so viel junge nichts Gemeines [⇐781][782⇒] versprechende Gelehrte, in ihrem Amte, das sie anzunehmen sich nicht enthalten können, wie man zu sagen pflegt, verbutten und versauern, kommt größtenteils daher, weil ihre Besoldungen nicht hinlänglich sind und sein können, um sich die Bücher und Instrumente anzuschaffen, welche zum Fortschreiten in einer Wissenschaft unentbehrlich sind. Warum diesen die Quelle eines Zuflusses verstopfen oder verleiden, der noch oft der einzige für sie ist! Aber, setzt man hinzu, die alten Gelehrten, die Schriftsteller bei den Griechen und Römern begnügten sich doch nur mit der einzigen Ehre, nahmen für ihre Arbeiten kein Geld! Ei! woher hat man denn das? Etwa, weil Quintilian in der Zuschrift an seinen Verleger keines Honorarii gedenkt? Oder, weil Eckhard de Edit. librorum apud Veteres nichts davon beigebracht? Man denke an Horazens: Gestit numos in loculos demittere! Und Statius, gab er wohl seine Agave umsonst aufs Theater?1 Um ein Billiges freilich, denn er mußte froh sein, wenn ihm der Komödiant gab, was ihm die Großen versagten: Quod non dat procer, dabit histrio. Und so viele andre Dichter, welche die Römische Bühne einträglich fanden, Quoque minus prodest, scena est lucrosa poëtae. Die erste Hälfte dieses Verses mag jetzt von deutschen Theatern oft genug wahr sein; aber auch die andere? Und selbst Terenz, auch er verkaufte seine Stücke nicht bloß den Ädilen, und nahm nicht bloß Geld, weil er die Ehre hatte, es vom Staate zu bekommen. Er nahm es vom Schauspieler, ohne diese Ehre, und lachte hoffentlich mit, wenn dieser ihn seines Geizes wegen im Prolog anstach, wo er nicht gar die Spötterei diesem in den Mund gelegt hatte. Wir wissen ja sogar noch, welches Stück ihm am teuersten bezahlt worden, und wie teuer. Eunuchus meruit pretium, quantum [⇐782][783⇒] nulla antea cuiusquam Comoedia, id est, octo millia nummum, das macht nach unserm Gelde – – doch für wen sollt', ichs wohl in Deutschland berechnen? – – – [⇐783] Erstes Bruchstück Über Eigentum an Geisteswerken [783⇒] Man mache gleich Anfangs einen Unterschied zwischen Eigentum und Benutzung des Eigentums. Ich kann hundert Dinge mein Eigentum nennen, in so fern ich von ihnen dartun kann, daß sie ohne mich entweder gar nicht, oder doch nicht solcher Gestalt vorhanden sein würden; aber folgt daraus, daß ich sie deswegen ausschließungsweise zu nutzen befugt bin? Um befugt zu sein, etwas ausschließungsweise zu benutzen, muß es erst möglich sein, daß ich es so benutzen kann. Sobald ich dieses Können nicht in meiner Gewalt habe, ist es ohnmächtiger Eigennutz, wenn ich andre von der Mitbenutzung durch ein bloßes; aber es wäre doch besser, wenn ich allein bei der Schüssel bliebe! abzuschrecken denke – – – – – Daß dem Verleger auf das Buch, welches er mit Genehmhaltung des Verfassers drucken läßt, ein Eigentum zustehe, halte ich für unerwiesen. Wenigstens kann das Eigentum des Verlegers nicht größer, und von keiner andern Natur sein, als das Eigentum des Verfassers war. Das Eigentum des Verfassers aber, wenn die Nutzung mit inbegriffen wird, ist so gut, als keines. Denn man kann nichts sein Eigentum nennen, in dessen Besitz man sich nicht zu setzen und zu erhalten im Stande ist. [⇐783] [784⇒] Nun ist aus der Erfahrung klar, daß kein Verfasser, wenn er einmal mit seinem Werke zum Vorschein gekommen, wenn er einmal eine oder mehrere Kopien davon machen lassen, im Stande ist, zu verhindern, daß nicht auch wider seinen Willen Kopien davon genommen werden – Folglich – – – [⇐784] Zweites Bruchstück Nachdruck [784⇒] Daß der Nachdruck unbillig sei, daß der Nachdrucker sich schämen sollte, zu ernten, wo er nicht gesäet hat, und der faulen Hummel gleich über den Honig der fleißigen Bienen herzufallen: wer leugnet das? Aber was hilft das, dem Nachdruck zu steuern? Freilich, wenn Deutschland unter einem Herrn stünde, welcher der natürlichen Billigkeit durch positive Gesetze zu Hülfe kommen könnte und wollte! Aber bei dieser Verbindung unter Deutschlands Provinzen da die menschlichsten das Principium haben, des baren Geldes so wenig als möglich aus ihren Grenzen zu lassen: wer wird ihren Finanzräten begreiflich machen, daß man allein den Buchhandel unter dieses Principium nicht ziehen müßte? Sie sagen: Wenn ein populärer Gellert so allgemein gelesen wird: was für ein Recht gibt das seinem Sächsischen Verleger, die Brandenburgischen und Österreichischen Staaten in Kontribution zu setzen? Als der Sächsische Verleger seinem Verfasser einen traurigen Dukaten für den Bogen bezahlte: konnte er sich da wohl vorstellen, damit eine so wichtige Kux erkauft zu haben? Warum sollen seinen un erwarteten Wucher nicht Mehrere teilen? – – [⇐784] Drittes Bruchstück Das Projekt §1 [785⇒] Selbstverlag und Subskription bleiben. §2 Der Schriftsteller läßt auf seine Unkosten drucken; aber die Subskription geht lediglich durch die Hände der Buchhändler. §3 Der Schriftsteller tut förmlich Verzicht, durch seine Freunde, die seine Buchhändler sind, Subskribenten sammeln zu lassen. Es wäre denn an Örtern, die kein deutscher Buchhändler wohl ablangen kann, oder wo sich etwa Buchhändler fänden, die aus bloßem Neide, weil sie nicht alles haben sollten, lieber gar nichts möchten. §4 Aber wie viele werden deren sein, sobald der Vorteil, den sie von Einsammlung der Subskribenten haben, nicht beträchtlicher ist, als er bisher gewesen. Und das soll er sein. §5 Man teile also den Preis, den das Buch haben soll (von dessen Billigkeit weiter unten) in drei Teile. Ein Dritteil für den Druck, ein Dritteil für den Verfasser, und ein Dritteil für den Buchhändler, bei dem die Liebhaber unterzeichnen. §6 Das Dritteil für den Druck ist so reichlich gerechnet, daß das Buch mit aller typographischen – wo nicht Pracht, doch Sauberkeit erscheinen kann. Und da der Autor selbst drucken läßt: so ist nicht zu vermuten, daß er aus schmutziger Gewinnsucht es daran werde fehlen lassen. Was ja daran noch Überschuß sein dürfte, lasse man ihn für Briefporto, für Spedierkosten bis Leipzig, wo das Werk ausgeliefert wird, und dergleichen rechnen. [⇐785] §7 [786⇒] Das eigentliche Dritteil für den Verfasser ist anzusehen, als ob es auf den Preis für den zu verarbeitenden rohen Stoff verwandt würde, und versteht sich ja wohl von selbst. §8 Endlich das Dritteil für den Buchhändler, welchem billigen Manne könnte das nicht genügen? Besonders da ich annehme, daß der Buchhändler Risiko ganz und gar nicht dabei haben muß; und Mühe nur wenig. §9 Denn was braucht der Buchhändler mehr, als daß er die Ankündigungen, die ihm der Verfasser zuschickt, an seine Kunden auf die gehörige gute Art verteilet und versendet? Die Exemplare erhält er in Leipzig, wo er ohnedies hinreiset, oder doch seinen Kommissionär hat. Die wenigsten seiner Kunden, wenn sie wissen, mit wem sie zu tun haben, werden sich auch schwerlich weigern, ihm gegen die Messe die Subskription in Pränumeration zu verwandeln, damit er auch nicht einmal nötig hat, die Auslage auf der Messe von seinem Gelde zu machen. §10 Denn das ist allerdings nötig, daß auf der Messe gegen Erhaltung der Exemplare sogleich bare Bezahlung geleistet werde. Der Schriftsteller kann nicht borgen; und nur darum opfert er einen so ansehnlichen Teil seines Gewinnstes auf, damit ihm alles erspart werde, was das Zeit versplitternde Detail des Kaufmanns erfodert: Buchhalten, Mahnen, Einkassieren u. dergl. §11 Was könnte denn auch gegen diese bare Bezahlung noch sonst eingewendet werden, da der Buchhändler nicht nötig hat, sich mit einem einzigen Exemplare mehr zu beladen, als bei ihm besprochen worden? Und wenn ihm auch von seinen Kunden die Subskription in Pränumeration nicht verwandelt [⇐786][787⇒] worden: welcher Kaufmann wird nicht gern Geld nach Leipzig führen, das er mit 33 Prozent wieder zurücknehmen kann? §12 Wäre es nicht vielmehr zu wünschen, daß sich der ganze Buchhandel auf diese Art realisieren ließe? Ein großes, glaub ich, könnte dazu beitragen, wenn sich irgend Jemand eines Ankündigungs-Journals unterzöge, in welchem alle diejenigen Verfasser, deren Werke in dem Meßcatalogo auf die künftige Messe versprochen werden, eine umständliche Nachricht erteilten. Eine solche Selbstankündigung, in welcher sich jeder Schriftsteller gewiß von seiner besten Seite zeigen würde, wäre gleichsam das Wort, bei welchem er künftig gehalten würde, und müßte Liebhabern und Gelehrten wohl angenehmer sein, als eine erschlichene oder selbstgemachte Rezension im Posaunenton, wenn das Buch schon da ist, und so vielen daran liegt, daß es mit guter Art unter die Leute kommt. – – – Fußnote 1 Juvenal. VII. 83 sq. [⇐787]